Musikparadies im Netz
Artikel aus langeleine.de
Der neue Internetsender Byte.fm will Musikfreunden in Deutschland eine Radioheimat geben. Er setzt auf moderierte Autorensendungen und renommierte Namen
Für Musikfans stellt sich die derzeitige Radiolandschaft als eine einzige Katastrophe dar. Traute sich vor 25 Jahren ein NDR-Moderator schon mal, morgens um 10 seine Bluesscheiben auf den Plattenteller zu legen, weil er gerade Lust dazu hatte, ist das heute undenkbar. Seit sie Konkurrenz durch das Privatradio bekamen, setzen auch die öffentlich-rechtlichen Sender im Sinne der Quote auf Mainstream, Gleichschaltung und Gedudel. Wenige anspruchsvolle Musikinselchen im Radio, wie Klaus Walters “Der Ball ist rund” beim Hessischen Rundfunk, der “Zündfunk” auf Bayern 2 und der “Nachtclub” im NDR werden von den Fans kultisch verehrt und wurden von diesen mehr als einmal davor bewahrt, endgültig abgesägt zu werden.
Wie in guten alten Radiotagen
Wenn man den neuen Internetsender Byte.fm einschaltet, glaubt man sich in die alten Tage versetzt: Hier gibt es rund um die Uhr Musikmagazine und Autorensendungen - querbeet und zu speziellen Musikgenres von Electro bis Rootsmusik. Der Unterschied zu anderen Internetradios: Es klingt professionell. Denn hier eröffnete nicht einfach irgendein weiterer von allein in Deutschland rund 3.000 von enthusiastischen Amateuren betriebener Internetsender. Initiator und Geschäftsführer Ruben Jonas Schnell, der ein Jahr an der Vorbereitung gebastelt hat, setzt auf Qualität und renommierte Namen. Im Gegensatz zum Internetsender last.fm, der von vielen Musikliebhabern tatsächlich für das letzte annehmbare Radio gehalten wurde, gibt es nicht nur Lieblingsmusik, sondern auch Menschen dahinter - das heißt, Unerwartetes an Genres, handverlesene Songs, aber auch Informationen, Konzerttipps und Interviews. Die Moderatoren sind allesamt selbst leidenschaftliche Musikfans, und so ist das Ganze für sie auch ein bisschen ein Selbsthilfeprojekt.
Aber Schnell ist nicht nur Musikenthusiast, sondern auch seit langen Jahren als Moderator und Redakteur von Musiksendungen zunächst beim freien Radio Dreyeckland und dann bei öffentlich-rechtlichen Sendern wie dem NDR (Nachtclub) tätig. So hatte der 39-Jährige die nötigen Beziehungen, um das Who is Who der deutschen Musikjournalistenszene an Bord zu holen. Mit dabei unter anderem Klaus Walter, Klaus Fiehe und Gudrun Gut - Namen, die bei Kennern die Ohren im wahrsten Sinne des Wortes klingen lassen. Dazu kommen noch ein paar Moderatoren von Freien Radios wie FSK Hamburg und Radio Flora Hannover sowie DJs aus den großstädtischen Szenen von Berlin und Hamburg, wo der Sender zu Hause ist.
Ein großes Experiment
Zunächst ist alles noch ein großes Experiment. Gibt es wirklich so viele Musikenthusiasten, dass die erhofften 600.000 Zugriffe pro Monat zustande kommen, die den Sender finanziell am Leben halten würden? Das Konzept sieht vor, zunächst zu versuchen, ohne Werbung auszukommen. Im Moment arbeiten alle Moderatoren ehrenamtlich, was sich langfristig ändern soll. Man setzt auf so genannte Subventionspartner, die den Sender finaziell unterstützen, um ihr Image damit zu schmücken. Derzeit ist das bisher nur Panasonic. Schnell hofft auf eine Handvoll weitere. Erste inhaltliche Kooperationspartner sind unter anderem das Popkulturmagazin Spex, die taz und das Internet-MP3-Magazin Tonspion.
Die Technik steht zumindest in der Theorie auf der Seite der Internetradios: Es gibt bereits WLAN-fähige Geräte, die auch ohne Computer den Stream empfangen können. Auch die nächste iPod Generation wird WLAN-fähig sein. Radiofans haben sich sowieso angesichts der wenigen und zumeist schlechten terrestrischen Angebote bereits technisch hochgerüstet.
Startschwierigkeiten mit Charme
Nach den ersten 14 Tagen ist Byte.fm noch im Probelauf. Kleine Startschwierigkeiten müssen sich einrenken: Die von den Machern mit Freude registrierten 20.000 Klicks brachten gleich zum Sendestart am 11. Januar 2008 den Server des neuen Internetradiosenders erst einmal kurzfristig zum Erliegen, und immer wieder tauchen neue Problemchen auf. Einige wurden inzwischen behoben: Ein MP3-Stream wurde eingerichtet - allerdings noch ohne Titelanzeige - und das hallende Studio im Hamburger Medienbunker gedämmt. Die Hörer konnten den Stand der Dinge über den Blog der sehr schön und anwenderfreundlich gestalteten Internetseite des Senders genauso verfolgen wie über Bemerkungen der Moderatoren, die hin und wieder die Lage kommentieren.
Das Sendeschema ist derzeit noch nicht so gefüllt, wie es in ausgereiftem Zustand sein soll. Da Qualität an erster Stelle steht, gibt es moderierte Livesendungen zunächst nur von 16 bis 24 Uhr. Nachts sind Musikmixe von DJs zu hören, ab sechs Uhr Wiederholungen vom Vortag. Bei den Magazinstrecken muss der Chef selbst noch endlose Stunden ans Mikrofon, weil Moderatoren für verschiedene geplante Sendekonzepte wie den “Tourkalender” oder das von wechselnden Musikfans zusammengestellte “Mixtape” noch fehlen. Andere Macher, die nicht aus Hamburg kommen, kämpfen mit den Tücken der Aufnahmetechnik am heimischen PC, an dem sie ihre Sendungen vorproduzieren. Aber gerade das noch Unfertige verbreitet einen heimeligen Charme, der den Hörer mit den regelmäßigen Abstürzen des Players leben lässt. Was macht das schon, wenn man sich doch über jeden neuen Song freuen und sich ganz nah am Paradies fühlen kann.
* Byte.fm im Netz:
* Stream:
* MP3-Stream:
(Fotos: Barbara Mürdter / Foto Ruben Jonas Schnell: Dirk Pudwell)
Der neue Internetsender Byte.fm will Musikfreunden in Deutschland eine Radioheimat geben. Er setzt auf moderierte Autorensendungen und renommierte Namen
Erlesenes für die Ohren: Byte.fm ist on air
Für Musikfans stellt sich die derzeitige Radiolandschaft als eine einzige Katastrophe dar. Traute sich vor 25 Jahren ein NDR-Moderator schon mal, morgens um 10 seine Bluesscheiben auf den Plattenteller zu legen, weil er gerade Lust dazu hatte, ist das heute undenkbar. Seit sie Konkurrenz durch das Privatradio bekamen, setzen auch die öffentlich-rechtlichen Sender im Sinne der Quote auf Mainstream, Gleichschaltung und Gedudel. Wenige anspruchsvolle Musikinselchen im Radio, wie Klaus Walters “Der Ball ist rund” beim Hessischen Rundfunk, der “Zündfunk” auf Bayern 2 und der “Nachtclub” im NDR werden von den Fans kultisch verehrt und wurden von diesen mehr als einmal davor bewahrt, endgültig abgesägt zu werden.
Wie in guten alten Radiotagen
Wenn man den neuen Internetsender Byte.fm einschaltet, glaubt man sich in die alten Tage versetzt: Hier gibt es rund um die Uhr Musikmagazine und Autorensendungen - querbeet und zu speziellen Musikgenres von Electro bis Rootsmusik. Der Unterschied zu anderen Internetradios: Es klingt professionell. Denn hier eröffnete nicht einfach irgendein weiterer von allein in Deutschland rund 3.000 von enthusiastischen Amateuren betriebener Internetsender. Initiator und Geschäftsführer Ruben Jonas Schnell, der ein Jahr an der Vorbereitung gebastelt hat, setzt auf Qualität und renommierte Namen. Im Gegensatz zum Internetsender last.fm, der von vielen Musikliebhabern tatsächlich für das letzte annehmbare Radio gehalten wurde, gibt es nicht nur Lieblingsmusik, sondern auch Menschen dahinter - das heißt, Unerwartetes an Genres, handverlesene Songs, aber auch Informationen, Konzerttipps und Interviews. Die Moderatoren sind allesamt selbst leidenschaftliche Musikfans, und so ist das Ganze für sie auch ein bisschen ein Selbsthilfeprojekt.
Musikfan Ruben Jonas Schnell: Initiator und Geschäftsführer von Byte.fm
Aber Schnell ist nicht nur Musikenthusiast, sondern auch seit langen Jahren als Moderator und Redakteur von Musiksendungen zunächst beim freien Radio Dreyeckland und dann bei öffentlich-rechtlichen Sendern wie dem NDR (Nachtclub) tätig. So hatte der 39-Jährige die nötigen Beziehungen, um das Who is Who der deutschen Musikjournalistenszene an Bord zu holen. Mit dabei unter anderem Klaus Walter, Klaus Fiehe und Gudrun Gut - Namen, die bei Kennern die Ohren im wahrsten Sinne des Wortes klingen lassen. Dazu kommen noch ein paar Moderatoren von Freien Radios wie FSK Hamburg und Radio Flora Hannover sowie DJs aus den großstädtischen Szenen von Berlin und Hamburg, wo der Sender zu Hause ist.
Ein großes Experiment
Zunächst ist alles noch ein großes Experiment. Gibt es wirklich so viele Musikenthusiasten, dass die erhofften 600.000 Zugriffe pro Monat zustande kommen, die den Sender finanziell am Leben halten würden? Das Konzept sieht vor, zunächst zu versuchen, ohne Werbung auszukommen. Im Moment arbeiten alle Moderatoren ehrenamtlich, was sich langfristig ändern soll. Man setzt auf so genannte Subventionspartner, die den Sender finaziell unterstützen, um ihr Image damit zu schmücken. Derzeit ist das bisher nur Panasonic. Schnell hofft auf eine Handvoll weitere. Erste inhaltliche Kooperationspartner sind unter anderem das Popkulturmagazin Spex, die taz und das Internet-MP3-Magazin Tonspion.
Die Technik steht zumindest in der Theorie auf der Seite der Internetradios: Es gibt bereits WLAN-fähige Geräte, die auch ohne Computer den Stream empfangen können. Auch die nächste iPod Generation wird WLAN-fähig sein. Radiofans haben sich sowieso angesichts der wenigen und zumeist schlechten terrestrischen Angebote bereits technisch hochgerüstet.
Auch wenn’s mit dieser Kombi aus Dampfradio und Router nicht klappen wird: Es gibt inzwischen Radios, die den Internetstream ohne PC empfangen können
Startschwierigkeiten mit Charme
Nach den ersten 14 Tagen ist Byte.fm noch im Probelauf. Kleine Startschwierigkeiten müssen sich einrenken: Die von den Machern mit Freude registrierten 20.000 Klicks brachten gleich zum Sendestart am 11. Januar 2008 den Server des neuen Internetradiosenders erst einmal kurzfristig zum Erliegen, und immer wieder tauchen neue Problemchen auf. Einige wurden inzwischen behoben: Ein MP3-Stream wurde eingerichtet - allerdings noch ohne Titelanzeige - und das hallende Studio im Hamburger Medienbunker gedämmt. Die Hörer konnten den Stand der Dinge über den Blog der sehr schön und anwenderfreundlich gestalteten Internetseite des Senders genauso verfolgen wie über Bemerkungen der Moderatoren, die hin und wieder die Lage kommentieren.
Die Technik und ihre Tücken
Das Sendeschema ist derzeit noch nicht so gefüllt, wie es in ausgereiftem Zustand sein soll. Da Qualität an erster Stelle steht, gibt es moderierte Livesendungen zunächst nur von 16 bis 24 Uhr. Nachts sind Musikmixe von DJs zu hören, ab sechs Uhr Wiederholungen vom Vortag. Bei den Magazinstrecken muss der Chef selbst noch endlose Stunden ans Mikrofon, weil Moderatoren für verschiedene geplante Sendekonzepte wie den “Tourkalender” oder das von wechselnden Musikfans zusammengestellte “Mixtape” noch fehlen. Andere Macher, die nicht aus Hamburg kommen, kämpfen mit den Tücken der Aufnahmetechnik am heimischen PC, an dem sie ihre Sendungen vorproduzieren. Aber gerade das noch Unfertige verbreitet einen heimeligen Charme, der den Hörer mit den regelmäßigen Abstürzen des Players leben lässt. Was macht das schon, wenn man sich doch über jeden neuen Song freuen und sich ganz nah am Paradies fühlen kann.
* Byte.fm im Netz:
* Stream:
* MP3-Stream:
(Fotos: Barbara Mürdter / Foto Ruben Jonas Schnell: Dirk Pudwell)
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