Looking for Love - Vor 25 Jahren starb der legändere Musikjournalist Lester Bangs
Lester Bangs ist einer der Gestalten der Zeitgeschichte, die zu ihren Zeiten zwischen Erfolg und Chaos dahertrieben, gehaßt und geliebt wurden, genauso wie er kompromißlos haßte oder liebte und nichts dazwischen kannte. Er schlitterte zwischen Wahnsinn und Genie und wurde posthum zum Vorbild einer ganzen Generation Musikschreiber.
Bangs wuchs in den 50er Jahren in der spießigen Kleinstadt Escondido bei San Diego auf. Sein alkoholkranker und vorbestrafter Vater kam bei einem Hausbrand um, als der Junge neun Jahre alt war. Bei seiner Mutter fand er anscheinend wenig Trost - sie wurde nach dem Tod des Vaters ein strengläubiges Mitglied der Zeugen Jehovas, eine der wenigen Religionen, die Musik verabscheuen. Schon als Kind begann Bangs zu schreiben. Als Teenager begeisterte er sich zum Entsetzen seiner Mutter für die Beat-Literatur und B-Bop, aber auch Garage- und Surf-Musik.
Er schrieb seinen ersten Artikel Ende der 60er Jahre für den Rolling Stone. Sein Debüt war ein Verriss der MC 5, denen er ihr politisches Engagement nicht abnahm. Greil Marcus, damals Redakteur des Blattes, wurde zu einem wichtigen frühen Förderer. Beim Rolling Stone kam er aber nie groß raus, weil er immer im Clinch mit Jann Wenner lag. Der hatte schon ein halbes Jahr nach Gründung des Blattes um Finanzhilfe bei der Plattenfirma Columbia ersucht und in der Folge durfte im Blatt nicht mehr negativ über Columbia-Künstler - wie Bob Dylan - berichtet werden. Schließlich flog er wegen respektlosem Verhaltens gegenüber den Künstlern raus.
Dann landete er beim Rockmagazin Creem in Detroit, wo damals Künstler wie die Stooges und MC 5 für Furore sorgten. Hier wurde er für fünf Jahre festangestellter Redakteur, der diverse Titelstories schrieb. Er wurde zu einem der renommiertesten Vertreter des New Journalism in den 70er Jahren, schrieb aber auch Texte im Stil des Gonzo-Journalism (Stichwort Hunter S. Thompson). Creem hatte wohl nur ein Viertel der Auflage des Rolling Stone, aber einen hohen kulturellen Einfluß: Es regte angeblich diverse LeserInnen an, kreativ zu werden. So soll die Lektüre des Magazins unter anderem Patti Smith, David Thomas und Johnny Lydon inspiriert haben, selbst musikalisch aktiv zu werden.
Mitte der 70er Jahre ging Bangs nach New York, um mit einer Freundin zusammen zu ziehen. Hier schrieb als freier Autor für Village Voice (wo Robert Christgau für ihn zuständig war), NME und auch wieder den Rolling Stone. Seine Texte wurden auch für das deutsche Sounds und die Rowohlt-Reihe "Rock Sessions" übernommen. Um Geld zu verdienen - so wurde behauptet - schrieb er auch für Penthouse und Playboy. Er war Stammgast im legendären CBGBs, verfolgte die Entwicklung des US-amerikanischen New Wave und schrieb unter anderem eine Biografie über Blondie, die 1980 erschien. Die meisten seiner - ambitionierteren - Buchprojekte kamen nie zustande. Dafür tat er sich als mittelmäßiger Sänger und Musiker hervor.
Er soll bei seinen Leuten beliebt gewesen sein - mit Ausnahme der von ihm verehrten Musiker. Hier soll er sich als trinkfester Stammgast im Backstagebereich profiliert haben. Nie sollen sie ihn als ihresgleichen akzeptiert haben, sondern mit seinem Schnauzer und Bierbauch eher als idiotischen Bauerntölpel abgetan haben. Nun ja, die New-Yorker Musiker, insbesondere der von ihm über alle Maßen verehrte Lou Reed waren aber, so weit man hört, zu niemandem so richtig lieb.
Muß hart gewesen sein für einen Idealisten, der sich nach nichts anderem mehr sehnte als Liebe, wie sein Biograf Jim Derogatis beschrieb. Schon lange hätten Drogen und Alkohol sein Leben bestimmt. Eine Ex-Geliebte bezeichnete ihn als „Garbagehead“, einer der sich mit billigen Drogen zudröhnte. Er trank angeblich Wick-Naseninhalierer, was wie Speed wirkte und Hustensaft, der Spuren von Opiumstoffen enthielt. Von Alkohol gar nicht zu reden. Zum Schluss soll er arm gewesen sein (reich wahrscheinlich sowieso nie). Seine Wohnung soll zu seinem Tod ausgesehen haben wie die eines Teenagers, der gerade bei den Eltern ausgezogen ist. Gestorben ist er 1982, 33jährig, an einer Überdosis von irgendwelchen Zeugs, mit dem man sich normalerweise weder umbringt noch es nimmt, um sich einen Kick zu geben. Aber bei manchen Leuten weiß man nie.
Sein Ex-Kollege Greil Marcus hat im Nachhinein zwei Bände mit seinen Arbeiten herausgegeben und es gibt eine Biografie über ihn - die einzige, so weit ich weiß, über einen (mehr oder weniger ausschließlichen) Rockkritiker. Und ein anderer Ex-Kollege, Cameron Crowe, nahm ihn als Haupt-Nebenfigur in seinem Film "Almost Famous" auf. Einen Teil der Legende macht es sicher auch aus, dass solche Gestalten, die es schon ihrerzeit nicht leicht hatten, im heutigen Musikjournalismus schon in der Stufe nach dem Fanzine untergegangen wären. Andererseits kann man die Vorwürfe seiner Kritiker/innen, Bangs sei rassistische und chauvinistische gewesen, nicht ganz abtun - obwohl er sich mit diesen Themen auch bewußt beschäftigt hat. Diese Denkweise - unreflektiert - findet sich leider bis heute allgemein in großen Teilen des Musikjournalismus, die Rock zumindest implizit noch immer als Jungsmusik betrachtet.
Die Anregung für diesen Artikel stammte von der NDR-Info-Sendung: "Rock'n'Roll auf der Schreibmaschine - Zum 25. Todestag von Lester Bangs. Ein Rückblick auf das wilde, tragische Leben von Amerikas größtem Rockjournalisten von Ronald Strehl". Hier die Playlist.
Bangs wuchs in den 50er Jahren in der spießigen Kleinstadt Escondido bei San Diego auf. Sein alkoholkranker und vorbestrafter Vater kam bei einem Hausbrand um, als der Junge neun Jahre alt war. Bei seiner Mutter fand er anscheinend wenig Trost - sie wurde nach dem Tod des Vaters ein strengläubiges Mitglied der Zeugen Jehovas, eine der wenigen Religionen, die Musik verabscheuen. Schon als Kind begann Bangs zu schreiben. Als Teenager begeisterte er sich zum Entsetzen seiner Mutter für die Beat-Literatur und B-Bop, aber auch Garage- und Surf-Musik.
Er schrieb seinen ersten Artikel Ende der 60er Jahre für den Rolling Stone. Sein Debüt war ein Verriss der MC 5, denen er ihr politisches Engagement nicht abnahm. Greil Marcus, damals Redakteur des Blattes, wurde zu einem wichtigen frühen Förderer. Beim Rolling Stone kam er aber nie groß raus, weil er immer im Clinch mit Jann Wenner lag. Der hatte schon ein halbes Jahr nach Gründung des Blattes um Finanzhilfe bei der Plattenfirma Columbia ersucht und in der Folge durfte im Blatt nicht mehr negativ über Columbia-Künstler - wie Bob Dylan - berichtet werden. Schließlich flog er wegen respektlosem Verhaltens gegenüber den Künstlern raus.
Dann landete er beim Rockmagazin Creem in Detroit, wo damals Künstler wie die Stooges und MC 5 für Furore sorgten. Hier wurde er für fünf Jahre festangestellter Redakteur, der diverse Titelstories schrieb. Er wurde zu einem der renommiertesten Vertreter des New Journalism in den 70er Jahren, schrieb aber auch Texte im Stil des Gonzo-Journalism (Stichwort Hunter S. Thompson). Creem hatte wohl nur ein Viertel der Auflage des Rolling Stone, aber einen hohen kulturellen Einfluß: Es regte angeblich diverse LeserInnen an, kreativ zu werden. So soll die Lektüre des Magazins unter anderem Patti Smith, David Thomas und Johnny Lydon inspiriert haben, selbst musikalisch aktiv zu werden.
Mitte der 70er Jahre ging Bangs nach New York, um mit einer Freundin zusammen zu ziehen. Hier schrieb als freier Autor für Village Voice (wo Robert Christgau für ihn zuständig war), NME und auch wieder den Rolling Stone. Seine Texte wurden auch für das deutsche Sounds und die Rowohlt-Reihe "Rock Sessions" übernommen. Um Geld zu verdienen - so wurde behauptet - schrieb er auch für Penthouse und Playboy. Er war Stammgast im legendären CBGBs, verfolgte die Entwicklung des US-amerikanischen New Wave und schrieb unter anderem eine Biografie über Blondie, die 1980 erschien. Die meisten seiner - ambitionierteren - Buchprojekte kamen nie zustande. Dafür tat er sich als mittelmäßiger Sänger und Musiker hervor.
Er soll bei seinen Leuten beliebt gewesen sein - mit Ausnahme der von ihm verehrten Musiker. Hier soll er sich als trinkfester Stammgast im Backstagebereich profiliert haben. Nie sollen sie ihn als ihresgleichen akzeptiert haben, sondern mit seinem Schnauzer und Bierbauch eher als idiotischen Bauerntölpel abgetan haben. Nun ja, die New-Yorker Musiker, insbesondere der von ihm über alle Maßen verehrte Lou Reed waren aber, so weit man hört, zu niemandem so richtig lieb.
Muß hart gewesen sein für einen Idealisten, der sich nach nichts anderem mehr sehnte als Liebe, wie sein Biograf Jim Derogatis beschrieb. Schon lange hätten Drogen und Alkohol sein Leben bestimmt. Eine Ex-Geliebte bezeichnete ihn als „Garbagehead“, einer der sich mit billigen Drogen zudröhnte. Er trank angeblich Wick-Naseninhalierer, was wie Speed wirkte und Hustensaft, der Spuren von Opiumstoffen enthielt. Von Alkohol gar nicht zu reden. Zum Schluss soll er arm gewesen sein (reich wahrscheinlich sowieso nie). Seine Wohnung soll zu seinem Tod ausgesehen haben wie die eines Teenagers, der gerade bei den Eltern ausgezogen ist. Gestorben ist er 1982, 33jährig, an einer Überdosis von irgendwelchen Zeugs, mit dem man sich normalerweise weder umbringt noch es nimmt, um sich einen Kick zu geben. Aber bei manchen Leuten weiß man nie.
Sein Ex-Kollege Greil Marcus hat im Nachhinein zwei Bände mit seinen Arbeiten herausgegeben und es gibt eine Biografie über ihn - die einzige, so weit ich weiß, über einen (mehr oder weniger ausschließlichen) Rockkritiker. Und ein anderer Ex-Kollege, Cameron Crowe, nahm ihn als Haupt-Nebenfigur in seinem Film "Almost Famous" auf. Einen Teil der Legende macht es sicher auch aus, dass solche Gestalten, die es schon ihrerzeit nicht leicht hatten, im heutigen Musikjournalismus schon in der Stufe nach dem Fanzine untergegangen wären. Andererseits kann man die Vorwürfe seiner Kritiker/innen, Bangs sei rassistische und chauvinistische gewesen, nicht ganz abtun - obwohl er sich mit diesen Themen auch bewußt beschäftigt hat. Diese Denkweise - unreflektiert - findet sich leider bis heute allgemein in großen Teilen des Musikjournalismus, die Rock zumindest implizit noch immer als Jungsmusik betrachtet.
Die Anregung für diesen Artikel stammte von der NDR-Info-Sendung: "Rock'n'Roll auf der Schreibmaschine - Zum 25. Todestag von Lester Bangs. Ein Rückblick auf das wilde, tragische Leben von Amerikas größtem Rockjournalisten von Ronald Strehl". Hier die Playlist.
Labels: Journalismus, Musik, Popkultur
2 Comments:
Good one! Dankeschön.
Das basiert zum Großteil auf dem, was in der Sendung gesagt wurde, auch wenn ich noch ein bisschen nachrecherchiert habe. Irgendwie ist mir der Bursche bisher auch ein wenig entgangen, auch wenn er mir so vage was sagte und ich "Almost Famous" auch gesehen hatte. Ich glaube auch, dass mir Greil marcus näher ist, aber auf jeden Fall ein wichtiger Mann.
Wann höre ich mal wieder was von Dir?
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