Patti Smith Jukebox
Patti Smith, die große alte Dame des Rock, ist mit neuem Album auf Deutschland-Tour
Mit ihrem aktuellen Album “Twelve” erfüllte sich Smith selbst einen Wunsch, den sie jahrzehntelang gehegt hatte. Sie wollte ein Coveralbum mit ihren Lieblingssongs aufnehmen. Eine Ikone covert Ikonen, von Jimmy Hendrix bis Nirvana - so erscheint es für uns Hörer. Doch für Smith sind es Zeitgenossen, die sie verehrte, und von denen sie oft gleichermaßen verehrt wurde. Die meisten hat sie in der brodelnden Musikszene ihrer Heimatstadt New York persönlich kennengelernt. Als junge Poetin, noch ohne musikalische Ambitionen, saß sie auf den Treppen des Electric Ladyland-Studios, in dem sie jetzt das neue Album aufgenommen hat, und plauderte mit Jimmy Hendrix. Bob Dylans Song “Like a Rolling Stone” hatte sie in den 60ern auf die Spur gebracht, ihre Weltauffassung geprägt. Dylan sollte sie ebenso wie den von ihr verehrten Keith Richards bald kennenlernen - als einen ihrer Bewunderer.
Patti Smith mit ihrer Band 2007
Eine von den New Yorker Punk-Jungs
Das eindrucksvollste Foto von Patti Smith wird für immer das Cover ihres Debütalbums “Horses” (1975) bleiben. Hier hat ihr Freund und Seelenbruder, der schwule New Yorker Fotokünstler Robert Mapplethorpe, die junge Smith als wunderschönen androgynen Tomboy festgehalten. Smith war “one of the boys”, eine aus der New Yorker Punk-Szene, die aussah und sich bewegte wie die Jungs. Und doch wurde sie über die Jahre zu einer Ikone und zum vielzitierten Rollenvorbild für Mädchen und Frauen, die Rock machen wollten - oder einfach andere Idole suchten als das althergebrachte Püppchen und andere Ideale hatten als ein Hausfrauendasein. Doch Smith wehrte sich gegen diese Aneignung. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs, der nach ihrer Kolloboration mit Bruce Springsteen, “Because the Night”, kam, ging sie Ende der 70er mit ihrem Mann aufs Land, um eine Familie zu gründen.
Das berühmte Cover von Patti Smiths Debütalbum “Horses”, aufgenommen von ihrem Fotografen-Freund Robert Mapplethorpe
1988 erschien dann Patti Smiths Comeback mit “Dream of Life”. Danach folgte wieder eine lange Pause. Mehrere ihrer engen Freunde und Verwandten starben in diesen Jahren - zuerst Robert Mapplethorpe, dann ihr Ehemann und ihr Bruder. Doch keine Geringeren als Michael Stipe von R.E.M. und Beat-Poet Allen Ginsberg drängten Smith 1996, wieder aufzunehmen und auf Tour zu gehen. Im April 2007 erschien ihr zehntes Album, auf dem sie vor allem auf ihre goldenen Jahre zurückblickte, die späten 60er und die 70er.
2002 erschien das Doppelalbum “Land”, das Patti Smiths Werk von 1975 bis heute dokumentiert
Entspannte Interpretation anspruchsvoller Klassiker
Die Reaktion auf das Albums “Twelve” war zunächst eher verhalten. Da waren die Smith-Fans, die sowieso alles gut finden, was ihre Heldin macht, und da waren die Abschätzigen, die eine reine Cover-Platte nur “verzeihen”, wenn sie die ultimativen Interpretationen enthalten. Richtig ist die Kritik: Keine der Interpretationen übertrifft die Originale, die vielfach von ihren Autoren schon unschlagbar genial interpretiert worden waren. Wenige der Aufnahmen sind bemerkenswert anders gestaltet, sieht man vielleicht von Nirvanas “Smells like Teen Spirit” ab, das durch die Verwendung akustischer Instrumente fast Traditional-Charakter gewinnt und zum Schluss sogar experimentell wird. Doch die meisten der Stücke sind mehr oder weniger konventionell eingespielt und bleiben nahe am Original.
Ein Band mit Fotos, auf denen ihr Jugendfreund Frank Stefanko Patti Smiths Werdegang porträtiert, erschien Anfang des Jahres unter dem Titel “Patti Smith - American Artist”
Smith konzentriert sich auf den Song an sich, macht ihn sich zu eigen, und zeigt seine Stärken und manchmal auch Schwächen auf. So legt das schwache “Soul Kitchen” – im Original von den Doors - gnadenlos bloß, dass Jim Morrisson doch nicht der Songschreiber und Lyriker vor dem Herren war, für den er bis heute oft gehalten wird. Wohingegen nicht zufällig Dylans “Changing of the Guards” das Highlight des Albums ist. Sein Status als einer der größten Songschreiber des Jahrhunderts gilt als unumstritten. Nach Smiths Aussage hat ihr das Aufnehmen dieses Songs am meisten Spaß gemacht. Und auch in der strengen Dylan-Fangemeinde wurde Smiths Fassung abgesegnet, sogar der Meister selbst soll Gefallen an ihrer Interpretation gefunden haben. Überhaupt Dylan: Selten hat man den alten Grummel so entspannt, milde und offensichtlich angetan gesehen wie auf Fotos mit der jungen Patti Smith Mitte der 70er Jahre. 1996 half er Smith bei ihrer Comebacktour. Und offensichtlich hält seine Bewunderung an.
Ein typisches Smith-Album
Hart betrachtet, ist “Changing of the Guards” allerdings der einzig wirklich bemerkenswerte Song auf dem Album – und selbst der reicht nicht an Cat Powers legendäres Cover des Stones-Klassikers “Satisfaction” heran. Aber bei Patti Smith geht es um etwas anderes: Lange schon hat sie den Ikonenstatus als große alte Dame des Rock - jenseits der üblichen Bewertungskriterien. Der Reiz ist, wie sich hier eine Ikone die Songs anderer Ikonen zueigen macht. Mit der Zeit entfalten die altersmilden Interpretationen, die keine auffälligen Experimente zulassen und scheinbaren Gleichmut ausstrahlen, ihren Reiz. Und je öfter man sich das Album anhört, desto stärker wird es zu einem typischen Smith-Album, auf dem sie die ganzen Jungs-Songs letztendlich zu einem homogenen Singer-Songwriter-Album zusammengewoben hat.
Das Cover von Smiths aktuellem Album “Twelve” zeigt ein Tambourin, das sie vor 35 Jahren geschenkt bekam
Einen wichtigen Beitrag zu “Twelve” hat Smiths Band geleistet, die die Stimme der Sängerin im Mittelpunkt lässt und sie einfühlsam begleitet. Neben ihren langjährigen Mitmusikern - Lenny Kaye, Tony Shanahan und Jay Dee Daugherty - bringen sich Gastmusiker wie Flea von den Red Hot Chilli Peppers und Tom Verlaine von Television mit ein. Und Smith schöpft nicht nur aus ihrer lang vertrauten Musikerfamilie - auch ihre eigenen Söhne Jesse und Jackson Smith sind mit von der Partie. Schließlich kommen auch das Politische und die Wut nicht zu kurz, auch wenn diese Haltung nicht mehr so wild herausgeschrien wird, wie vor Jahren. Smith begründete die Auswahl des Songs “Smells Like Teen Spirit” damit, dass sie Cobains Wut und Verzweiflung nachvollziehen konnte, schon als sie den Song zum ersten mal hörte. Und sie berichtet, dass sie zum ersten mal des Textes und der Aktualität des Songs “Gimme Shelter” in seiner vollen Bedeutung bewusst wurde, als sie ihn jetzt selbst sang: “War children is just a shot away“ (Der Krieg, Leute, ist nur einen Schuß weit entfernt).
- Live zu sehen ist Patty Smith unter anderem morgen, am Dienstag, den 12. Juni, in Hamburg in der Großen Freiheit, Eintritt: 27 Euro
(Foto: Pressefoto)
Patti Smiths HomepageFoto: Pressefoto
Labels: Artikel, Konzertvorschau, Patti Smith, Plattenkritik, Veranstaltung
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